Jetzt und damals
Ronny Edelstein
16 Jul 2014
0 Kommentare

Share to Facebook Share to Twitter Share to Google+

Eine Webseite ohne Redaktionssystem ist nicht mehr wegzudenken. Als ich vor vielen Jahren die alte Webseite konzipierte, wollte ich es einfach haben. Neues Projekt, neue Bilder, neuer Text, rein damit, fertig. Die Konzeption war aufwendig, die Programmierung teuer und die Änderungen schwierig. Das war noch die Zeit, in der Eigenkonzeptionen maßgeschneiderter CMS-Systeme für sehr teures Geld zusammengeschustert wurden. Wer das Budget nicht freistellen konnte, musste zu Fuß gehen: mühsam einzelne HTML-Seiten erstellen und aufwendig pflegen.

Modulare Standardsysteme wie Typo3 machten gerade ihren Weg. Mit »Open-Source«-Modulen konnte man jede erdenkbare Web-Funktion abdecken und anpassen. Die Administrationsoberfläche der Webseite platzte bald wegen zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten für jeden brauchbaren, aber auch unbrauchbaren Zweck, und nicht nur der Gelegenheitsnutzer wurde hin und wieder mit der Bedienung überfordert.

Zu jener Zeit war es üblich, dass Designer eine »einzigartige« Webseite gestalten, und Programmierer kämpften mit Sonderwünschen, deren Sinn sie nicht verstanden. Gleichzeitig freuten sie sich über die Erhöhung des Umsetzungsaufwands. Mittlerweile ist fast jedem klar, dass es die Inhalte, die Bildsprache, die Farbwelten, die Typografie und die Botschaft sind, die eine Webseite einzigartig machen. Und nicht mehr die Funktionalität verschiedener Module, seien sie in PHP, JavaScript, Flash oder Ruby on Rails kodiert.

Die Bandbreite ist seitdem enorm gewachsen, die Monitore protzen heutzutage mit 27“-Retina-Auflösung auf fast jedem respektablen Schreibtisch. So habe ich mir eines Tages meine aufwendig gebaute Webseite mit tollen Datenbank-Funktionen angeschaut und mit Erschrecken festgestellt, wie mikroskopisch sie wirkte. Dann ist die Entscheidung gefallen, sie nicht mehr anzuschauen und sie eines Tages mit einem modernen Look&Feel und mithilfe eines gängigen CMS neu aufzustellen.

Die Herausforderung, ein neues Design für eine funktionale Webseite zu erstellen, habe ich von vornherein abgelehnt. Im Dschungel der fertigen »Themes« ist dieser Aufwand aus meiner Sicht sinnlos. So basiert diese Webseite auch auf einem fertigen WordPress-Template. Es ist nicht mehr viel vom Original zu erkennen. Die alten Templates werden kaum noch benutzt, neue Funktionen sind hinzugekommen.

Um mich von der »Mikroskopie« der alten Webseite zu lösen, habe ich einen besonderen Drang gespürt, das heilige 960-Pixel-Raster zu sprengen. Responsive oder nicht, ist die Betrachtung eines Design-Portfolios auf einem Smartphone, sei es auch im 3G-Modus, nur bedingt ein mäßiger Spaß. Das wahllose Sprengen einer etablierten Konvention kann aber von einem nicht vorgewarnten Betrachter auch leicht als Unwissenheit oder Ignoranz interpretiert werden. Um dieses Dilemma zu umgehen, habe ich einen Weg gesucht, der meine wichtigen Informationen im sichtbaren Bereich des Bildschirms hält und gleichzeitig weitere Möglichkeiten darüber hinaus freigibt, um mit zusätzlichen optischen Mitteln zu agieren. Es bleibt dem Nutzer überlassen, ob er die Webseite in vollem Umfang ausnutzen mag, will oder kann.

Nun ist sie endlich da: weit weg von Perfektion, weit weg von dem Anspruch, alle Wünsche zufriedenzustellen. Das ist ein Portfolio. Hier werden die Arbeiten gesammelt, dokumentiert, archiviert. Für mich und für dich. Ich blicke sehr gerne zurück und schaue mir nostalgisch alte Arbeiten an. Sie sind nicht mehr zeitgemäß, sie sind auch nicht zeitlos, obwohl ich es bei der einen oder anderen zu jener Zeit geglaubt habe. Aber in jeder einzigen von ihnen steckt ein Stück Leidenschaft, eine große Portion Begeisterung. Dieses Gefühl hilft mir immer wieder aufs Neue, mich den Herausforderungen des Design-Alltags zu stellen und jeden Tag Neues zu kreieren.

Ronny Edelstein

Schreibe einen Kommentar